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Fachfremde IGeL Leistungen nach dem Praxiskauf

Ärzte profitieren von neuer Freiheit im Bereich der Selbstzahlerleistungen.

Laut einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dürfen Ärzte bei Selbstzahlerleistungen bzw. IgeL Leistungen in gewissen Grenzen auch außerhalb ihres Fachgebietes tätig werden. Mit der Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht seinen fast 40 Jahre alten Facharztbeschluss weiterentwickelt und übermäßig restriktiven Tendenzen der Berufsordnungen eine Absage erteilt (AZ 1 BvR 2383/10). 


Seit dem so genannten Facharztbeschluss von 1972 wurde von den Ärztekammern die Auffassung vertreten, der eine weiterbildungsrechtliche Gebietsbezeichnung führende Arzt müsse sich bei seiner Behandlungstätigkeit auf dieses Fachgebiet beschränken. Ausnahmen seien nur in der Notfallbehandlung und dann zulässig, wenn der Patient aufgrund eines gewachsenen Vertrauensverhältnisses ausdrücklich eine fachfremde Behandlung wünsche.

Unter Berufung auf diese Rechtsprechung haben die ärztlichen Berufsgerichte in der Vergangenheit etwa einem Gynäkologen die Schmerztherapie bei einem Mann untersagt. Einem Kinderarzt wurde die Behandlung Erwachsener verboten, ein Urologe durfte keine Leukämie Patienten behandeln. Auch im Bereich kosmetischer Operationen schritten die Ärztekammern ein, so sollte ein Gynäkologe nicht befugt sein Operationen oder Unterspritzungen im Gesicht vorzunehmen.

Die Verfassungsrichter in Karlsruhe haben nun klargestellt, dass fachgebietsfremde IGeL Leistungen berufsrechtlich dann zulässig sind, wenn sie von dem Arzt nur in geringfügigem Umfang erbracht werden. Die Obergrenze des geringfügigen Umfanges wurde nicht definiert.

Das Gericht hat festgestellt, dass ein Leistungsumfang von weniger als fünf Prozent eindeutig als geringfügig einzuoprdenn sei. Als Bezugsgröße hat das Bundesverfassungsgericht im entschiedenen Fall die Gesamtzahl der von dem Arzt durchgeführten Operationen angesetzt. Das lässt sich durchaus auf die Gesamtzahl der behandelten Patienten übertragen.

Jeder Arzt hat hinsichtlich der nach der Praxisübernahme angebotenen IGeL Leistungen jedoch einige Aspekte zu beachten. Erstens muss er die für ihn fachfremden Leistungen selbstverständlich beherrschen. Maßstab ist hierbei der Facharztstandard des fremden Gebietes. Bereits 1981 hat der Bundesgerichtshof (BGH) nämlich in einer arzthaftungsrechtlichen Entscheidung festgestellt, dass sich ein Arzt nicht dadurch entlasten kann, dass er die fachspezifischen Veröffentlichungen und damit den Facharztstandard des fremden Gebietes nicht kannte.

Damals hatte ein Urologe ein Tuberkulostatikum verordnet, wobei in den pneumologischen Fachkreisen die Gefahr einer Schädigung des Sehnervs bekannt war, nicht aber dem Urologen. Der BGH führt hierzu aus, dass von jedem Arzt, der sich mit einer fachfremden Behandlung befasst, verlangt werden kann, dass er den hierbei zu beachtenden Standard kennt oder sich speziell darüber informiert.

Zweitens sollte jeder Arzt seine Haftpflichtversicherung informieren. Er muss sich bestätigen lassen, dass für diese Behandlungen Versicherungsschutz besteht und es sich nicht um ein sogenanntes neues Risiko, welches vom Versicherungsschutz nicht umfasst wäre, handelt.

Schließlich muss beachtet werden, dass die fachfremden Leistungen nach einer Arztpraxis Neugründung nur in geringfügigem Umfang erbracht werden. Daraus ergibt sich konsequenterweise, dass die fachfremden Behandlungen dann aber auch nicht als Tätigkeitsschwerpunkt beworben werden dürfen. Jedem Arzt ist bekanntlich die werbende Außendarstellung mit Tätigkeitsschwerpunkten erlaubt, der Widerspruch zwischen der allein zulässigen geringfügigen fachfremden Tätigkeit und einem Tätigkeitsschwerpunkt wäre aber nicht aufzulösen.

Es ist zu erwarten, dass sich nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die berufsrechtlichen Probleme zukünftig eher in dem Bereich der Kommunikation fachfremder Leistungen verlagern. Fachärzte sollten daher nach dem Praxiskauf nicht zu marktschreierisch vorgehen. Berufsrechtliche Grenzen und vernünftige Außendarstellung lassen sich bei der Praxisübergabe aber durchaus in Einklang bringen.

Letztlich vertraut das Verfassungsgericht den Ärzten, dass sie hoch qualifizierte Leistungen nicht nur im eigenen Gebiet, sondern auch bei speziellen, fachfremden Behandlungen gewährleisten können. Betrachtet man frühere Liberalisierungen durch das Bundesverfassungsgericht, so ist mit diesem Urteil der Arztberuf als freier Beruf gestärkt worden, weitere Details zur Behandlungsfreiheit in unserer Praxisbörsen Ärztefortbildung für Heilberufe.

Dr. Ingo Pflugmacher
14.07.2015

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